Forschende in Deutschland und den U.S.A. haben erstmals gezeigt, dass Terahertz (THz)-Lichtpulse den Ferromagnetismus in einem Kristall bei Temperaturen stabilisieren können, die mehr als dreimal so hoch sind wie die übliche Übergangstemperatur. Wie das Team in der Zeitschrift Nature berichtet, wurde mit Hilfe von Pulsen, die nur Hunderte von Femtosekunden andauerten (Millionstel einer Milliardstelsekunde), ein ferromagnetischer Zustand bei hoher Temperatur in dem Seltenerdtitanat YTiO3 erzeugt, der nach der Lichtexposition noch viele Nanosekunden lang anhielt. Unterhalb der Gleichgewichts-Übergangstemperatur verstärkten die Laserpulse zudem den bestehenden magnetischen Zustand und erhöhten die Magnetisierung bis zu ihrem theoretischen Grenzwert.
Die Nutzung von Licht zur Steuerung des Magnetismus in Festkörpern ist eine vielversprechende Plattform für zukünftige Technologien. Heutige Computer basieren auf dem Fluss elektrischer Ladung, um Informationen zu verarbeiten. Außerdem verwenden digitale Speichergeräte magnetische Bits, die durch externe Magnetfelder umgeschaltet werden müssen. Beides begrenzt die Geschwindigkeit und die Energieeffizienz dieser Computersysteme. Die Verwendung von Licht zum optischen Schalten von Speicher- und Rechengeräten könnte deren Verarbeitungsgeschwindigkeiten und Effizienz revolutionieren.
YTiO3 ist ein Übergangsmetalloxid, das erst unter 27 K oder –246° Celsius ferromagnetisch wird, also ähnliche Eigenschaften wie ein Kühlschrankmagnet annimmt. Bei diesen niedrigen Temperaturen richten sich die Spins der Elektronen auf den Ti-Atomen in eine bestimmte Richtung aus. Diese kollektive Anordnung der Spins verleiht dem Material als Ganzes eine makroskopische Magnetisierung und macht es ferromagnetisch. Im Gegensatz dazu fluktuieren die einzelnen Spins bei Temperaturen über 27 K ohne kollektive Ordnung, so dass kein Ferromagnetismus entsteht.
Mit einer leistungsstarken THz-Lichtquelle, die am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) in Hamburg entwickelt wurde, gelang es dem Team nun, Ferromagnetismus in YTiO3 bis zu einer Temperatur von fast 100 K (–193° C) zu erzeugen, also weit oberhalb der normalen Übergangstemperatur. Der lichtinduzierte Zustand blieb für viele Nanosekunden erhalten. Der intensive Lichtpuls „rüttelt“ an den Atomen des Materials, was es den Elektronen ermöglicht, ihre Spins kollektiv auszurichten. Unterhalb der konventionellen Übergangstemperatur von 27 K erhöht die Phononenanregung bei 9 THz die Magnetisierung um etwa 20 Prozent und erreicht damit erstmals das theoretische Maximum.
Dr. Andrey Maljuk aus dem Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW Dresden) hat für diese Arbeit die Yttrium-Titan-Oxid-Einkristalle in der benötigten Qualität synthetisiert. Die Probe hatte eine nahezu kubische Form und war entlang der Hauptachsen ausgerichtet. Die Kantenlänge betrug etwa 3,0 mm.
Diese Ergebnisse vertiefen das Verständnis intensiver und ultraschneller Licht-Materie-Wechselwirkungen und sind gleichzeitig ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur optischen Kontrolle magnetischer Komponenten. „Die Arbeit demonstriert nicht nur das Ein- und Ausschalten von Magnetismus nach Bedarf, sie gibt uns auch einen Vorgeschmack davon, wie Informationen mit ultrahoher Geschwindigkeit gespeichert und verarbeitet werden können“, erklärt Andrea Cavalleri, der Direktor der Abteilung für die Dynamik kondensierter Materie des MPSD.
Neben dem MPSD Hamburg und dem IFW Dresden waren Forschende der Harvard University, der University of California - Los Angeles und des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung Stuttgart beteiligt.
Original-Publikation: Disa, A.S., Curtis, J., Fechner, M. et al. Photo-induced high-temperature ferromagnetism in YTiO3. Nature 617, 73–78 (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-023-05853-8